Freunde von Sabeel Deutschland e.V.
AUFRUF Die Menschen in Palästina leiden unter massiven Verletzungen von Völker- und Menschenrechten. Politik und Kirche in Deutschland schweigen dazu. Wir auch? Wir sind dem Judentum und jüdischen Menschen in besonderer Weise verbunden. Dem Alten Israel verdanken wir die Basis unseres christlichen Glaubens. Das furchtbare Geschehen in unserer Vergangenheit geht mit uns. Wir schweigen, weil uns die „Schuld unserer Väter“ den Mund verschließt. Kann aber frühere Schuld rechtfertigen, dass wir Unrecht dulden? Unrecht, das in Israel in der Westbank, im Gazastreifen und in Ost-Jerusalem an den palästinensischen Menschen geschieht? Was würde Jesus dazu sagen, dass wir so feige sind? Wir: insbesondere wir, als Kirche Jesu Christi? Der totale Kontrollmatrix, mit der die palästinensische Bevölkerung seit 1948 konfrontiert ist, umgesetzt mit der brutalen Vertreibung der Palästinenser und der israelischen militärischen Besatzung seit 1967, die in drei Zonen (A,B,C) aufgeteilte Westbank, der 2004 vom Internationalen Gerichtshof verurteilte Mauerbau (Trennmauer), weitgehend errichtet auf palästinensischem Gebiet, die extensive völkerrechtswidrigen Siedlungspolitik (zuletzt im Dezember 2016 durch UN Resolution 2334 verurteilt), die Enteignungen von Grund und Boden, die Vernichtung landwirtschaftlicher Kulturen (wie Ölbäumen), die Zerstörung von Häusern und der Infrastruktur, die schweren Beeinträchtigungen der wirtschaftlichen 'Entwicklung (20% der Bevölkerung leben unter der Armutsgrenze), die Kontrolle der natürlichen Ressourcen wie Ackerland, Wasser, Energie und Bodenschätze, die Trennung der Familien und die täglichen Demütigungen, die willkürlichen Verhaftungen, unbegrenzte Verwaltungs-haft, Folter und Deportationen auch von Kindern und Jugendlichen, die ethnischen Säuberungen und diskriminierenden Sonder- gesetze, widerrechtliche Annektierung von Ost-Jerusalem und die damit einhergehende Einschränkung der Religionsfreiheit, der nie umgesetzte Beschluss der UN Nr. 194 zum Rückkehrrecht der Flüchtlinge, die Emigration von Christen mangels Perspektiven, Missachtung des Völkerrechts, all diese Tatsachen schüren Hass und Verzweiflung, führen zu wachsender Armut und dem Entzug fast aller Lebensgrundlagen, zur Entmündigung und dem Verlust der Freiheit auf Selbstbestimmung, zur Missachtung der menschlichen Würde durch systematische Verletzung der Menschen-rechte und dem Entzug von Bürgerrechten. All dies- und noch viel mehr - dürften den Verantwortlichen in der deutschen Politik und Gesellschaft und in den Kirchen bekannt sein. Uns allen, wenn wir es wissen wollen, auch. Festgeschrieben hat Israel jedoch in seiner Unabhängigkeitserklärung am 14. Mai 1948. Dort heißt es wörtlich: „Er, der Staat Israel-…. …...wird sich der Entwicklung des Landes zum Wohle aller seiner Bewohner widmen . -Er wird auf Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden im Sinne der Visionen der Propheten Israels gestutzt sein. -Er wird all seinen Bürgern ohne Unterschied von Religion, Rasse und Geschlecht, soziale und politische Gleichberechtigung verbürgen. -Er wird Glaubens- und Gewissensfreiheit, Freiheit der Sprache, Erziehung und Kultur gewährleisten, die Heiligen Stätten unter seinen Schutz nehmen und den Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen treubleiben.“ Wir können die Augen nicht vor den Geschehnissen in Israel und Palästina verschließen, die dieser Erklärung seit Jahrzehnten widersprechen Eine Politik, eine Kirche, die von der fortgesetzten massiven Verletzung von Menschenrechten und des Völkerrechts wissen und keine wirksamen Maßnahmen ergreifen, um solches menschen-verachtendes Verhalten zu beenden, machen sich der Beihilfe schuldig. Wir alle werden neu schuldig, wenn wir dem gegenüber gleichgültig bleiben. Deshalb rufen wir alle, die in der deutschen Politik und Gesellschaft Verantwortung tragen, dazu auf, sich auch in Bezug auf den Staat Israel und seinen Umgang mit den Palästinensern endlich am Völkerrecht zu orientieren und sich dafür einzusetzen, dass die beschriebenen massiven Menschen-rechtsverletzungen beendet werden . Wir fordern sie auf: -alle zukünftige Kooperation mit dem Staat Israel an die Einhaltung des Völkerrechts und der Menschenrechte zu binden insbesondere alle weitere militärische Zusammenarbeit - von Israels Führung ein konkretes Datum und einen Plan zur Beendigung der Besatzung zu verlangen und eine Beendigung des kolonialen israelischen Siedlungsbaus zu verlangen. J eder weitere Tag unter Besatzung ist ein Tag in Unfreiheit, ein Tag, an dem Verzweiflung und Depression wachse, vielleicht auch Hass und Rachegelüste. Ein Tag, an dem gebildete, friedensbereite Palästinenser die Auswan-derung erwägen und sie vielleicht umsetzen. Es liegt an uns, die Situation zu verändern! Dabei sollten wir als Freunde dem Staat Israel gegenüber auch deutlich machen, dass er seine eigene Reputation als demokratischer, an den Grundwerten orientierter Staat durch eine Politik der Vertreibung, Zerstörung, Gewalt und Entrechtung untergräbt; und dass eine Beendigung dieser Politik deshalb auch in seinem eigenen Interesse liegt. Wir möchten zu einem Frieden in Israel und Palästina beitragen, der den legitimen Interessen aller Beteiligten gerecht wird. Deshalb wünschen wir uns ein ehrliches, faires, sachliches Gespräch, auch mit Vertretern des Judentums in Deutschland. Ein Gespräch, das endlich einmal die Lage im West-Jordanland, im Gaza-Streifen und in Ost-Jerusalem zur Sprache bringt. "Insbesondere fordern wir die Kirchen auf, auf den palästinensischen "Schrei nach Hoffnung " https://www.cryforhope.org/media/attachments/2020/06/26/0-aufruf-schrei-nach-hoffnung---german.pdf ähnlich klar zu antworten wie die United Church of Christ in den USA (https://kairoseuropa.de/wp- content/uploads/2021/08/UCC-Deutsch-Generalsynode-2021-Israel-Palaestina-Bekenntnis.pdf) Lasst uns den Mund auftun für die, die hier nicht gehört werden, obwohl sie doch schreien
Stehen die westlichen Kirchen noch in Kirchengemeinschaft mit den palästinensischen ChristInnen? Ein offener Brief an westliche Kirchen von Global Kairos for Justice Ein weltweites Netz von Kirchen und ökumenischen Gruppen in Gemeinschaft mit ChristInnen und Kirchen in Palästina. – Europäische Sektion (Dezember 2023) Palästinensische Christen und Theologen werfen die Frage auf, ob die westlichen Kirchen noch in Gemeinschaft mit ihnen stehen. Vgl. https://kairoseuropa.de/kairos-palaestina-solidaritaetsnetz/aktuelle-analysen-berichte-und-links/ . In einer Situation, in der Israel – nach dem gewaltsamen Bruch des Völkerrechts durch die Kassam-Brigaden, militärischer Arm der Widerstandsbewegung Hamas – im Gazastreifen möglicherweise einen Völkermord und mit Sicherheit Kriegsverbrechen im Sinne des Völkerrechts begeht, schweigen einige Kirchen. Sie folgen den Regierungen, die sich weigern, auch nur um einen Waffenstillstand zu bitten. Es wird erwartet, dass es nach dem Ende des Krieges keine Christen oder Kirchen mehr in Gaza geben wird. Dies wirft ernste ekklesiologische Fragen auf. Im Juli 2020 veröffentlichten Kairos Palästina und sein globales Netzwerk Kairos fr Gerechtigkeit (GKJ) den Schrei nach Hoffnung. Dieses Dokument ruft „alle ChristInnen und die Kirchen auf gemeindlicher, konfessioneller, nationaler und weltweiter ökumenischer Ebene auf, sich in einem Prozess des Studierens, Reflektierens und Bekennens zu engagieren. Es geht dabei um die historische und systemische Entrechtung des palästinensischen Volkes und um den Missbrauch der Bibel, mit dem viele diese Unterdrckung rechtfertigen und untersttzen. Wir rufen die Kirchen auf, darber zu reflektieren, wie ihre eigenen Traditionen die heilige Pflicht zum Ausdruck bringen können, die Integrität der Kirche und des christlichen Glaubens in Bezug auf diese Frage aufrechtzuerhalten. Wir können nicht Gott dienen und gleichzeitig zur Unterdrckung der Palästinenser schweigen" https://cryforhope.org/media/attachments/2020/06/26/0- aufruf-schrei-nach-hoffnung---german.pdf . Mehrere Kirchen haben mit beeindruckenden Bekenntnissen und Antworten reagiert. https://kairoseuropa.de/wp- content/uploads/2021/08/UCC-Deutsch-Generalsynode-2021-Israel-Palaestina Bekenntnis.pdf. Die meisten europäischen Kirchen waren sich der Ernsthaftigkeit dieses Aufrufs nicht bewusst, der an die Tradition der bekennenden Kirche in Nazi-Deutschland und die Erklärung eines Status confessionis in Bezug auf die Apartheid in Sdafrika anknpfte. Die gegenwärtige Situation ist noch verzweifelter als zu der Zeit, als Cry for Hope veröffentlicht wurde, da die Palästinenser mit der Möglichkeit einer dauerhaften Zwangsvertreibung aus dem Gazastreifen und einem Zusammenbruch der Rechtsstaatlichkeit im Westjordanland und in Ostjerusalem konfrontiert sind. Wir laden uns und die europäischen Kirchen ein, uns und unser Handeln zu hinterfragen. Nach Bonhoeffer verhalten sich die Kirchen in Situationen wie jetzt in Palästina auf drei Arten: Vgl. Zur Frage der Kirchengemeinschaft. DBW XIV. (1936), S. 655-680. 1. Als wahre Kirche bekennen sie sich zu Christus, trotz aller gefährlichen Konsequenzen (in Jesu und seinem Fall: Hinrichtung durch die Mächte), 2. Als irrende Kirche versuchen sie, sich an die herrschenden Mächte anzupassen, indem sie keinen klaren Standpunkt einnehmen, und, 3. Als falsche Kirche zeigen sie Komplizenschaft mit den Mächten, die die betreffende Kirche verfolgen. Im Falle der irrenden Kirche muss die Kommunikation intensiviert werden, um sie fr die wahre Kirche zu gewinnen und ein klares Bekenntnis abzulegen. Angesichts der Gefahr, dass Israel im Gazastreifen einen Völkermord begeht und die christliche Kirche dort auslöscht, mssen sich Kirchen, die sich auf die Seite Israels stellen und schweigen, ohne Israels Handeln klar und öffentlich abzulehnen, fragen, ob sie als falsche Kirchen mitschuldig sind. Die Krise in Gaza ist die jngste Folge des langjährigen israelischen Projekts des Siedlerkolonialismus, der auf die Ersetzung der einheimischen Bevölkerung abzielt und zu dessen Durchsetzung sich Israel – laut Menschenrechtsorganisationen und der UNO – als Apartheidstaat etabliert hat. Daher sollten westliche Kirchen und Kirchenfhrer unverzglich ein Zeichen der Solidarität mit unseren palästinensischen Brdern und Schwestern setzen, um sich in dieser Situation zu Christus zu bekennen und mit ihnen in Gemeinschaft zu sein. Die unmittelbare Herausforderung besteht darin, zu einem Waffenstillstand 6 aufzurufen und den Völkermord sofort zu verhindern und zu beenden. Als wahre Kirche in dieser Situation zu handeln, bedeutet auch, 75 Jahre Unrecht gegen das palästinensische Volk anzuerkennen und unser eigenes christliches Versagen zu bereuen, das darin besteht, dass wir dieses Unrecht untersttzt und zugelassen haben, dass es fortbesteht und nun in einer nie zuvor gesehenen Weise eskaliert. Wir wollen uns dazu verpflichten, dem palästinensischen Volk solidarisch zur Seite zu stehen, bis es gemeinsam mit der jdischen Bevölkerung Israels Gerechtigkeit, Freiheit und Sicherheit erlangt. Nur gemeinsam werden beide Völker eine Zukunft haben. ________________________________________ 1 Ein weltweites Netz von Kirchen und ökumenischen Gruppen in Gemeinschaft mit ChristInnen und Kirchen in Palästina. 2 Vgl. https://kairoseuropa.de/kairos-palaestina-solidaritaetsnetz/aktuelle-analysen-berichte-und-links/ . 3 https://cryforhope.org/media/attachments/2020/06/26/0-aufruf-schrei-nach-hoffnung---german.pdf 4 https://kairoseuropa.de/wp-content/uploads/2021/08/UCC-Deutsch-Generalsynode-2021-Israel-Palaestina Bekenntnis.pdf. 5 Vgl. Zur Frage der Kirchengemeinschaft. DBW XIV. (1936), S. 655-680. 6 Wir rufen die Kirchen in Europa auf, sich diesem Aufruf anzuschlieÿen und ihren Einfluss bei ihren Regierungen geltend zu machen, um einen sofortigen Waffenstillstand zu fordern. Die Kirchen können die Petition hier unterzeichnen: https://forms.gle/Ur8k1T6miXrhMCm98 Wir bitten die Kirchen auch, die Nachricht in ihren Gemeinen zuverbreiten, damit auch Einzelpersonen den Aufruf zur Waffenruhe unterschreiben können. https://www.change.org/p/sign-and-share-this-urgent-petition- calling-for-a-ceasefirenow-in-gaza-and-israel?redirect=false Unsere Brder und Schwestern in Palästina haben die folgende Erklärung veröffentlicht: Ein Aufruf zur Umkehr: Ein offener Brief von palästinensischen Christen an westliche Kirchenfhrer und Theologen https://www.change.org/p/an-open-letter-from-palestinian-christians-to-western-church-leaders-and- theologians?recruiter=1319605589&recruited_by_id=a6f6fd10-6e69-11ee-abdf- Wir rufen die Kirchen auf, die Erklärung zu lesen und sich mit ihr zu befassen und die palästinensische christliche Gemeinschaft im Gazastreifen und im Westjordanland auf jede erdenkliche Weise zu untersttzen.